Mordprozeß um totes Baby begann

Vor dem Landgericht in Arnsberg begann der Prozess gegen eine junge Mutter aus Soest. Die 22-Jährige soll ihre Tochter im November mehrere Tage allein gelassen haben. Das vier Monate alte Baby war verdurstet.

Die junge Frau wirkt zwischen den beiden Justizbeamten, die sie in Handschellen in den Gerichtssaal führen, noch zierlicher. Die 22-jährige Bianca N. muss sich vor der Schwurgerichtskammer in Arnsberg wegen Mordes verantworten. Die Staatsanwaltschaft wift ihr vor, die Tochter absichtlich allein in der Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Soest gelassen zu haben, damit das Baby stirbt.

Um den Kameras im Gerichtssaal zu entgehen, hat die junge Frau die Kapuze ihres Pullis tief ins Gesicht gezogen. Geduldig lässt sie dann mit gesenktem Blick das Blitzlichtgewitter über sich ergehen. Als das Gericht die Verhandlung eröffnet, zieht die Angeklagte die Kapuze ab. Sie wirkt unsicher und beantwortet die Fragen des Richters mit leiser Stimme. Ihr Anwalt erklärt, dass sich seine Mandantin nicht nur zur Person, sondern auch zur Sache äußern wird. Doch das soll erst später passieren.

Zunächst legt der bisherige Pflichtverteidiger aus Soest sein Mandat nieder. Er habe kein Vertrauensverhältnis zur Mandantin aufbauen können, sehe sich nicht in der Lage sie angesichts der drohenden Strafe in ausreichendem Maße verteidigen zu können. Eine Formalie, weil die Soesterin noch einen Wahlverteidiger hat. Der Pflichtverteidiger Kramer verlässt den Gerichtssaal. "Ich bin da raus und da bin ich froh drüber", sagt er kurz.

Dann berichtet Bianca N. über ihre Kindheit und Jugend: alkoholkranke Eltern, mangelnde Förderung und Fürsorge. Mit 14 ging sie zu einer Schulsozialarbeiterin in ihrem Geburtsort Wittmund. Sie kam in eine Pflegefamilie. "Da lief es gut", sagt sie leise. Zwei Jahre später zogen die aus Soest stammenden Pflegeeltern zusammen mit den eigenen und den Pflegekindern zurück in ihre alte Heimat. Auch in Soest lief zunächst alles gut, Hauptschulabschluss in Welver und dann mit 19 die erste eigene Wohnung und eine Ausbildung. Irgendwann schmiß die junge Frau, die schon früh harten Alkohol trank und Drogen nahm, die Ausbildung hin. Die Beziehung zu einem älteren Mann, der auch der Vater ihrer Tochter ist, scheiterte. "Das war alles zuviel", sagt sie.

Am Nachmittag will das Gericht von der junge Frau wissen, was sie dazu veranlasste, ihre Tochter alleine zu lassen - wie es zu dem grauenvollen Drama am Soester Stadtrand kam? "Das ist auch für uns ein besonderer Fall", sagt Richter Willi Erdmann. Ein Tötungsdelikt mit einem Baby als Opfer belaste alle Beteiligten besonders.

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