Es wird telefoniert und telefoniert, aber die diplomatischen Bemühungen um eine Entspannung im Konflikt um die ukrainische Halbinsel Krim zeigen bislang keine Ergebnisse. Krisentelefonate von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem britischen Premier David Cameron mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin konnten die festgefahrene Lage nicht voranbringen.

Beide Seiten bleiben letztlich bei ihren Standpunkten: Der Westen und die Ukraine halten das für kommenden Sonntag geplante Referendum über die künftige Zugehörigkeit der Krim für verfassungswidrig und somit illegal. Russland hingegen sieht den Vorgang als adäquate Reaktion auf den Sturz der ukrainischen Regierung in Kiew, was Moskau wiederum als illegal betrachtet.

Aus Sicht von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier rückt nun eine Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland näher. Wenn bei Gesprächen am Montag oder Dienstag keine Bereitschaft der russischen Seite für eine Deeskalation zu erkennen sei, "dann wird man die nächste Stufe der Sanktionen erreichen müssen", sagte der SPD-Politiker im ZDF.

Diese EU-Sanktionen sehen Reisebeschränkungen sowie Kontensperrungen für bestimmte im Ukraine-Konflikt verantwortliche Personen vor. Steinmeier warnte aber davor, in Begeisterung über weitere Strafmaßnahmen gegen Moskau auszubrechen: Wirtschaftssanktionen brächten beiden Seiten Schaden.

Vizekanzler Sigmar Gabriel kritisierte im Bericht aus Berlin, dass Europa in die Zeit des Kalten Krieges zurückfalle. Die größte Gefahr sei nun, dass wegen des Konflikts eine "Aufrüstungsspirale" in Gang gesetzt werde. Gabriel mahnte die EU, den russischen Provokationen nicht tatenlos zuzusehen. Auch Wirtschaftssanktionen sollten berücksichtigt werden, sagte der Minister, unabhängig davon, dass diese beiden Seiten schaden könnten.

Altbundeskanzler Gerhard Schröder warf der EU vor, mit ihrem Ukraine-Kurs den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine überhaupt erst ausgelöst zu haben. "Ich frage mich, ob es richtig war, ein kulturell gespaltenes Land wie die Ukraine vor so eine Alternative zu stellen: Assoziierung mit der EU oder Zollabkommen mit Russland", sagte Schröder bei einer Veranstaltung der Wochenzeitung "Die Zeit" in Hamburg. Die EU hätte Kiew "beide Richtungen" aufzeigen müssen.

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen kündigte an, die Kooperation mit der Ukraine zu verstärken und die Zusammenarbeit mit Russland neu zu bewerten. Die Auswirkungen der Krise auf die Allianz würden "gründlich untersucht", sagte er der "Bild"-Zeitung. Dies schließe auch die Unterstützung von Mitgliedsländern mit Abwehrsystemen ein. Zudem wolle die NATO ihre Partnerschaft mit der Ukraine "intensivieren und noch besser zusammenarbeiten, um demokratische Reformen zu erreichen", sagte Rasmussen. Dazu würden auch die Anstrengungen erhöht, die Leistungsfähigkeit der ukrainischen Armee zu verbessern. Außerdem habe die NATO "deutlich gemacht, dass Russland gegen die Prinzipien verstößt, auf denen unsere Partnerschaft beruht". Die Planungen für den ersten gemeinsamen Militäreinsatz seien abgebrochen und sämtliche Treffen zwischen zivilen und militärischen Mitarbeitern aufgeschoben worden.

Die USA haben in Anbetracht der "angespannten politischen Situation" in der Ukraine ein bereits länger geplantes Militärmanöver mit Polen vorgezogen: Washington verlegte zwölf F-16 Kampfjets nach Polen. Für eine Übung sollen bis Donnerstag zudem 300 US-Soldaten nach Polen geschickt werden, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Jacek Sonta.

Russland hat der Krim vor dem für kommenden Sonntag geplanten Referendum auf der Schwarzmeer-Halbinsel umfangreiche Finanzhilfen in Aussicht gestellt. Von 40 Milliarden Rubel (etwa 790 Millionen Euro) für Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung sprach der Vizevorsitzende des Industrieausschusses im Parlament in Moskau, Pawel Dorochin, nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax. Momentan ist die Führung der Krim weitgehend zahlungsunfähig, weil die Übergangsregierung in Kiew der autonomen Republik den Geldhahn zugedreht hat.

Dorochin sagte, das Geld sei "in erster Linie" für Unternehmen aus dem Rüstungsbereich vorgesehen, darunter für die Wartung von Schiffen der russischen Schwarzmeerflotte. Diese liegt in Sewastopol. Ein Abkommen mit der Ukraine sichert Russland den Standort bis 2035.

In Kiew gibt man sich weiterhin kämpferisch: Die Ukraine werde "keinen Zentimeter ihres Gebiets aufgeben", versprach Übergangspremier Arseni Jazenjuk bei einer Großkundgebung in der Hauptstadt zum 200. Jahrestag des Geburtstags des ukrainischen Nationalhelden Taras Schewtschenko. "Das sollen Russland und sein Präsident wissen", betonte Jazenjuk. Der neue Premier hofft auf weitere Unterstützung der USA und reist kommenden Woche zu Gesprächen nach Washington. Das bestätigte ein Sprecher des Weißen Hauses.

Zu einer proukrainischen Demonstration in der Krim-Hauptstadt Simferopol kamen etwa tausend Menschen. Wie in Sewastopol schwenkten sie ukrainische Fahnen und verurteilten die "russische Besetzung". An einer prorussischen Kundgebung beteiligten sich im Gegenug etwa 10.000 Menschen. Auch in der ostukrainischen Stadt Donezk bekundeten tausende Demonstranten ihre Solidarität mit Moskau.

Die Ukraine will nach den Worten von Interims-Außenminister Andrej Deschtschyzja Teile des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union noch im März unterzeichnen. Als mögliche Termine nannte Deschtschyzja den 17. oder den 21. März. Am 17. März treffen sich die EU-Außenminister, am 20. und 21. März findet in Brüssel der nächste EU-Gipfel statt.

Im November hatte der damalige Präsident Viktor Janukowitsch die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens abgesagt und entschieden, dass die Ukraine sich stärker Russland zuwenden soll. Dies war der Auslöser der monatelangen Proteste in der Ukraine, der zum Umsturz in Kiew und Janukowitschs Absetzung führte.

Stand: 10.03.2014 02:31 Uhr
http://www.tagesschau.de/ausland/krim242.html