Im Konflikt um die Zukunft der Ukraine und deren Halbinsel Krim ist weiter keine Lösung abzusehen. Trotz massiver diplomatischer Bemühungen haben sich die Fronten in den vergangen Tagen eher verhärtet. Der amtierende ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk bekräftigte zwar seine Bereitschaft zu Gesprächen, nannte dafür aber Bedingungen, die Russland bereits abgelehnt hat.

Die Regierung in Moskau wiederum treibt den Prozess zur Aufnahme der Krim weiter voran. Die Präsidenten beider Parlamentskammern sagten Unterstützung zu, sollte die Bevölkerung der Halbinsel in einem Referendum für die Abspaltung von der Ukraine und den Beitritt zu Russland stimmen. Ein Gesetzesentwurf, der die Aufnahme von Gebieten anderer Staaten erleichtern soll, war bereits am Donnerstag eingebracht worden.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier warnte Russland vor einer widerrechtlichen Eingliederung der Krim. Es gelte nach wie vor die Aussage von Präsident Wladimir Putin, dass "keine Annexion beabsichtigt ist", sagte Steinmeier in Berlin. Er wisse aber nicht, ob dies auch nach dem Referendum auf der Krim so bleibe. Aber "ganz sicher wäre die Annexion nicht nur ein von der EU vehement verurteilter Schritt". Mit Blick auf dessen Vorverlegung und den russischen Gesetzesentwurf warf er Moskau vor, "Öl ins Feuer" zu gießen.

Vizekanzler Sigmar Gabriel, der am Vormittag in Kiew den Maidan besuchte, lobte wiederum die Übergangsregierung in Kiew. Diese reagiere auf die Provokationen auf der Krim rational und sehr vernünftig.

Die Krim-Regionalregierung in Simferopol hatte am Donnerstag Russlands Präsidenten Wladimir Putin um die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation gebeten. Zudem wurde beschlossen, das Referendum über die Zukunft der mehrheitlich von ethnischen Russen besiedelten Region auf den 16. März vorzuziehen. Davon unabhängig, teilte die Regierung mit, betrachte man sich schon als Teil Russlands - und zwar ab sofort. Der Ausgang des Referendums ist für die Krim-Regierung offenbar also nur noch eine Formsache.

Die Bewertung der momentanen Situation steht und fällt letztlich damit, wie der völkerrechtliche Status der Übergangsregierung in Kiew gesehen wird. Russland bestreitet, dass diese rechtmäßig ist und sieht den gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch weiter als legitimes Staatsoberhaupt an. Alles was nach dem Umsturz in Kiew passierte, der nach Moskauer Lesart ein Putsch war, werde daher nicht anerkannt.

Aus Sicht der Ukraine, die weitgehend mit der der westlichen Staaten einhergeht, hat Janukowitsch dagegen mit der Flucht außer Landes seine Präsidentschaft verwirkt beziehungsweise die Voraussetzungen für die erfolgte Amtsenthebung geschaffen. Seine Amtsbefugnisse gingen daher bis zur Wahl eines neuen Präsidenten auf den Parlamentsvorsitzenden über. Darüber hinaus wird das vom Regionalparlament der Krim-Halbinsel geplante Referendum über eine Abspaltung von der Ukraine als unrechtmäßig angesehen.

Völkerrechtler wie Professor Stefan Talmon sehen das genauso: In der ukrainischen Verfassung seien zwar Referenden zu lokalen politischen Fragen vorgesehen, sagt er im Gespräch mit tagesschau.de. Die Änderung des Staatsgebiets sei dagegen nur über nationale Abstimmungen zu bestimmen. Für das Vorhaben der Autonomen Republik Krim gebe es daher keine Rechtsgrundlage.

Unabhängig vom Ausgang des Referendums haben die EU und die USA bereits Sanktionen gegen Russland beschlossen. Außenminister Steinmeier warf Putin nun vor, dass dieser trotz der Sanktionsbeschlüsse aus Brüssel und Washington in den letzten 24 Stunden "keine eindeutigen Signale" gegeben habe, sich an einer Kontaktgruppe zu beteiligen.

Russland wiederum kritisiert die von der Europäischen Union verhängten Strafmaßnahmen und droht im Falle weiterer Sanktionen mit Vergeltung. Die EU habe mit ihrer Entscheidung, die Gespräche über Reiseerleichterungen auf Eis zu legen, eine "extrem unkonstruktive Position" eingenommen, erklärte das Außenministerium in Moskau. "Russland wird die Sprache von Sanktionen und Drohungen nicht akzeptieren." Sollte die EU die von ihr angedrohten weiteren Strafmaßnahmen tatsächlich verhängen, werde Russland Vergeltung üben.

Der Machtkampf findet aber nicht nur auf dem politischen Parkett statt. Der ukrainische Grenzschutz meldet, mittlerweile habe sich die Zahl russischer Truppen auf der Krim auf 30.000 verdoppelt. Moskau bestreitet das. Die Stationierung tatsächlicher russischer Militärangehöriger bewege sich innerhalb der Grenzen, die im Pachtvertrag für den russischen Marinestützpunkt in Sewastopol erlaubt seien.

Nachgeprüft werden konnte beide Darstellungen bislang nicht. Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die Berichte über die Entsendung russischer Truppen im großem Umfang überprüfen sollen, sind immer noch nicht auf die Krim vorgedrungen. Erneut wurde den rund 40 Militärexperten der Zugang auf die Halbinsel verwehrt. Wie schon am Donnerstag wurde ihr Konvoi von Bewaffneten an einem Kontrollposten gestoppt.

Stand: 07.03.2014 16:00 Uhr
http://www.tagesschau.de/ausland/krim220.html

"Krim hat allein nichts zu entscheiden"

Das Votum des Krim-Parlaments für einen Anschluss an Russland sei nichtig, sagt Völkerrechtler Stefan Talmon im Gespräch mit tagesschau.de. Auch das angekündigte Referendum sei illegal. Der Westen dürfe die Einverleibung der Krim durch Russland nicht akzeptieren.


Zum Interview gehts hier entlang >> http://www.tagesschau.de/ausland/krim218.html